Saatgut: Industrie fordert Überarbeitung der EU-Regelungen zu geistigem Eigentum

Aus Sicht der meisten Landwirte, der kleinen und mittlständische Saatgutunternehmen und wohl auch der Allgemeinheit, sei es "unerlässlich, das Eigentum am Saatgut beizubehalten". [SHUTTERSTOCK]

Akteure des europäischen Saatgutsektors haben sich zusammengeschlossen, um die EU-Kommission dazu zu drängen, die Gesetze und Mechanismen des Blocks zum Thema geistiges Eigentum zu „verbessern“ und einen möglichst effektiven Pflanzenzüchtungssektor zu ermöglichen. Es gibt jedoch Befürchtungen, dass dies negative Auswirkungen auf Landwirte sowie auf kleinere Saatgutunternehmen haben könnte.

In einem Brief, der am vergangenen Mittwoch (26. August) an die Generaldirektion SANTE der Kommission geschickt wurde, fordern vier Organisationen – Euroseeds, Plantum, CIOPORA und AIPH – die Exekutive auf, die Ratsverordnung über den gemeinschaftlichen Sortenschutz  (Community Plant Variety Rights, CPVR) zu überprüfen.

Auslöser war die Auslassung einiger dieser Rechte im EU-Aktionsplan für geistiges Eigentum durch die Generaldirektion GROW. Der Aktionsplan skizziert die Vorhaben zur Verbesserung der Gesetze und Mechanismen zum Schutz von geistigem Eigentum in der EU. Ziel soll es sein, eine intelligentere Nutzung zu fördern sowie eine bessere Durchsetzung zu gewährleisten und weltweit faire Wettbewerbsbedingungen im Bereich des geistigen Eigentums zu fördern.

Die Annahme des Plans ist für das dritte Quartal 2020 geplant.

Die Rechte an geistigem Eigentum umfassen Patente, Urheberrechte und Marken. Mit ihnen sollen Unternehmen ihre Erfindungen und Kreationen schützen, um im weltweiten Wettbewerb besser bestehen zu können.

Die Kommission beschreibt die Bedeutung dieser Rechte auf der Website des Aktionsplans für geistiges Eigentum und stellt fest, die EU brauche besseren Schutz und bessere Verfahren, „wenn sie in wichtigen Industriebereichen eine Führungsrolle übernehmen und ihre Resilienz gegenüber gesundheitlichen und wirtschaftlichen Krisen verbessern will, während sie gleichzeitig auf eine umweltfreundlichere, stärker digitalisierte Wirtschaft hinarbeitet.“

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In einer ergänzenden Erklärung, die zusammen mit dem Brief online veröffentlicht wurde, betonte Euroseeds, ein effektiver Pflanzenzüchtungssektor sei „für eine Vielzahl gesellschaftlicher Ziele wie die Verbesserung nachhaltiger Produktionssysteme und der Qualität landwirtschaftlicher Produkte für Verbraucher von wesentlicher Bedeutung“.

Die EU-Strategien Green Deal und Farm to Fork könnten „ihre Ziele ohne Pflanzenzüchtung nicht erreichen“.

Weiter wird gefordert: „Die Züchter brauchen ein effektives System für geistiges Eigentum, um weiterhin in diese wichtige Arbeit investieren zu können. Es ist von größter Bedeutung für Züchter und Produzenten, dass das EU-Sortenrechtssystem robust und wirksam ist.“

Kaum Neuerungen seit 25 Jahren

Die vier Organisationen argumentieren, das derzeit geltende, 25 Jahre alte CVPR-System der EU hinke hinter den jüngsten Entwicklungen in der globalen Landwirtschaft, im Obst- und Gemüseanbau und in der Pflanzenzüchtung hinterher.

Sie verweisen auf den 2011 veröffentlichten Abschlussbericht zum Thema CVPR, in dem bereits eine Verbesserung der Verordnung gefordert wurde. Seither seien jedoch keinerlei gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen worden.

Die Lobby-Gruppen haben zusammen mit den nationalen Saatgutverbänden Deutschlands und Spaniens und fast 20 individuellen Züchtungsunternehmen das Thema in ihren Reaktionen auf die öffentliche Konsultation zum Aktionsplan der EU-Kommission hervorgehoben.

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Die Biotech-Industriegruppe Europabio betonte außerdem, dass Biowissenschaften und Biotechnologie strategische Innovationen sowohl im Gesundheits- als auch im Agrar- und Lebensmittelsektor vorantreiben würden Diese Innovationen seien „ohne einen robusten Rahmen zur Förderung von Investitionen in risikoreiche Forschung und diversifizierte Produktentwicklung“ nicht denkbar: „Die Aufrechterhaltung dieser Bedeutung von geistigem Eigentum für Innovationen erfordert eine kohärente Politik.“

Gefahr für kleinere Betriebe

Dr. Mohammad Torshizi, Dozent an der Fakultät für Ressourcenökonomie und Umweltsoziologie der University of Alberta, warnte jedoch kürzlich, dass gewerbliche Eigentumsschutzrechte zwar Innovationen hervorbringen, aber auch weitergehende „wirtschaftliche Auswirkungen“ haben können.

In seiner Rede auf einer Konferenz im Februar zog Torshizi Lehren aus der Situation in Kanada und den USA und warnte davor, dass stärkere Eigentumsrechte an Saatgut zu einer Konzentration der Marktmacht führen können. Dadurch könnten den Landwirten durch Verträge Produktionsentscheidungen diktiert oder höhere Preise für das geschützte Saatgut verlangt werden.

Aus Sicht der Landwirte, der kleinen und mittelständische Saatgutunternehmen und wohl auch der Allgemeinheit, sei es daher „unerlässlich, das Eigentum am Saatgut beizubehalten“, so Torshizi.

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Ebenso mahnt der Kleinbauer Guy Kastler, Mitglied der Saatgut-Arbeitsgruppe des Bauernverbandes Via Campesina, gegenüber EURACTIV.com, dass die Landwirte in der Lage sein müssen, ihr eigenes Saatgut wiederzuverwenden und auszuwählen. So könnten sie es an die lokalen Bedingungen anpassen und den aktuellen Herausforderungen in der Landwirtschaft begegnen – sei es Klimawandel, Verlust der Biodiversität oder die dringend notwendige Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden.

Im Gegensatz dazu würde die bestehende Ratsverordnung „die Rechte der Bauern, ihr eigenes Saat- und Pflanzgut zu produzieren, verbieten oder zumindest einschränken“. Diese Verbote und Einschränkungen sollten aufgehoben werden. Er fügt hinzu, eine solche Regelung würde „in keiner Weise die Verwendung der Saatgutauslese von Unternehmen einschränken“.

Er schließt: „Leider wird durch die Konzentration in der Saatgutindustrie die Vielfalt des kommerziellen Angebots immer begrenzter. Im Gegensatz dazu stehen die Millionen von Bauern, die jeweils das Saat- und Pflanzgut auswählen, das am besten zu ihren unterschiedlichen Anforderungen und den Umgebungsbedingungen passt.“

[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins]

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